Von Berlin nach Klein Trebbow
Timo (42) und Claudia (37) Domröse mit Lientje (4) und Fiete (6)
- Wohnort Klein Trebbow: 3 Straßen, ein See, ein Campingplatz und eine solidarische Landwirtschaft.
- Distanz Berlin: 100 km
- Distanz nächster Bahnhof: Neustrelitz 10 km
- Wohnen seit Anfang 2019 in ihrem Haus
Timo ist Mitinhaber der Agentur „Domröse Schrader“ in Berlin, die die musikalische Begleitung von Veranstaltungen u.a. in Ministerien und Senat organisiert. Er arbeitet von Dienstag bis Donnerstag in Berlin und teilt sich dort mit Freunden eine Wohnung.
Claudia arbeitet beim Leea (Landeszentrum für erneuerbare Energien Mecklenburg-Vorpommern) in Neustrelitz im Bereich Marketing. In Berlin hat sie politische Veranstaltungen des Tagesspiegels organisiert.
Claudia: Wir haben auf dem Campingplatz an der gegenüberliegenden Seeseite Urlaub gemacht und immer dieses Haus gesehen und uns vorgestellt, wir schön ein Haus am See wäre. Am letzten Tag sind wir daran vorbeigefahren und es hing ein kleines „zu verkaufen“ Schild am Zaun. Das war ein Zeichen.
Timo: Der Kauf ging ziemlich schnell und dann haben wir mit der Komplettsanierung des Hauses begonnen, jedoch viel von der alten Substanz bewahrt.
Timo: Die Kinder erleben eine unvergleichbare Freiheit. Auch wir können einfach rausgehen, Barfuß durchs Gras laufen, Feuer machen und das direkt mit dem See vor der Tür. Diese ganz natürlichen Dinge, das tut einfach gut.
Claudia: Alleine nachts dieser Sternenhimmel! Das sind nur kurze Momente, doch die geben mir so viel Kraft und Energie. Der Hauptunterschied ist, dass der Erholungswert so groß ist. Das macht produktiver. Man geht vor die Tür, alles ist ruhig, nur die Vögel sind da.
Timo: Diese Dorfgemeinschaft kennen wir als Städter überhaupt nicht. Vorhin gab es einen Aufruf vom Bauern, dass die Rinder ausgebüxt sind und jeder der kann, sie bitte wieder mit einfangen soll. Das ist für uns die Möglichkeit etwas zurückzugeben. Im Bauprozess brauchte ich ihn nur anrufen und er half mir, mit dem Stapler eine Palette abzuladen.
Timo: Vor allem im Bauen spürten wir, dass Welten aufeinander prallten. Die Fliesenleger wollten nicht, dass Bodenfliesen an die Wand kommen. In einem Zimmer war die Wand abgesackt und deswegen die Decke schief. Finden wir ok, ist ja auch ein altes Haus. Der Handwerker wollte die Decke unbedingt abhängen. Das ging so weit, dass er meinte, wenn jemand ins Haus komme und das sehe, dann würde er keine Aufträge mehr bekommen. Sehr interessante Handwerkerehre.
Claudia: Wir haben bereits viele nette Bekannte und werden zu Festen eingeladen. Was sich daraus entwickelt, wird sich zeigen. Die Leute sind sehr offen. Unsere Berliner Freunde merken, dass es gar nicht so weit ist und kommen uns besuchen.
Timo: Die gemeinsame Zeit ist intensiver und länger. Freunde bleiben eher über Nacht. Das ist auch eine Bereicherung für Freundschaften.
Timo: Das Essen.
Claudia: Ja, das stimmt. Es gibt hier schon ein paar Adressen, jedoch die Vielfalt und die günstigen Preise hat man hier nicht. Generell finde ich die Lebenshaltungskosten teurer. Gerade wenn man Bio kauft. Vielleicht ist es eine gefühlte Wahrheit, doch die Auswahl ist nicht groß und es kostet mehr. Dafür gibt es im Dorf die Solawi (solidarische Landwirtschaft). Wir können gleich rüber gehen und das Gemüse holen. Honig gibt es vom Imker. Wenn jemand Wild geschossen hat, können wir einfach fragen, ob noch eine Wurst oder Salami übrig ist?
Timo: Wir leben hier viel saisonaler. Es ist eine irre Erfahrung, dass man sich aus der Natur ernähren kann. Wildkräuter, Pilze, das ist ein totaler Luxus.
Claudia: Zuerst hatte ich Angst vorm Vermissen der Stadt. Aber je länger ich hier bin, desto weniger zieht es mich dorthin. Mit dem jetzigen Abstand merke ich erst mal, wie viel Energie mir Berlin geraubt hat, permanent, ohne etwas aktiv zu tun, sondern nur durch die pure Anwesenheit.
Claudia: Ich habe festgestellt, dass es nicht so viele Bewerber für meinen Job gab. Total attraktive Stelle, aber nur wenige können sie ausfüllen. Gerade für Berliner sind hier en masse Möglichkeiten. Man kann hier wirklich was machen.
Timo: Für mich gibt es zum Pendeln keine Alternative. Wir haben das Business seit 10 Jahren aufgebaut, das lässt sich nicht verpflanzen. Ich muss auch in Berlin sein, um Musiker zu scouten. In den zwei Berlin-Nächten kann ich abends das kulturelle Leben genießen oder bis 22 Uhr im Büro arbeiten, das ist sehr luxuriös. Donnerstagabend sitze ich im Zug und freue mich sehr auf zu Hause.
Claudia: Ich finde es toll, dass man hier überall anhalten kann und es überall schön ist. Man muss nicht groß etwas suchen, es ist alles hier.